Grenzüberschreitende Versetzung hat Vorrang vor Kündigung

Neue Tendenz im Arbeitsrecht

Bevor ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter betriebsbedingt kündigt, muss er ihm einen anderen freien Arbeitsplatz anbieten. Dieser Arbeitsplatz kann unter Umständen sogar im Ausland sein.

(BAG vom 29.08.2013, 2 AZR 809/12)

Vor Ausspruch einer (betriebsbedingten) Kündigung muss der Arbeitgeber prüfen, ob es nicht eine andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Mitarbeiter gibt. Dazu gehört auch die Möglichkeit einer Versetzung oder Änderungskündigung auf einen anderen, gerade freien und vergleichbaren Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber muss dann, bevor er kündigen kann, dem Arbeitnehmer diesen freien Arbeitsplatz anbieten.

Dieser Grundsatz galt bisher aber nur und ausschließlich für das Inland. Ein freier Arbeitsplatz im Ausland war von dieser Vorgabe des deutschen Kündigungsschutzgesetzes nicht betroffen. Er brauchte deshalb auch nicht angeboten zu werden. In einer neueren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nun eine Trendwende eingeleitet: Zwei Ausnahmen vom bisherigen „Auslands-Privileg“ sollen danach möglich sein:

  1. Der deutsche Betriebs oder Betriebsteil wird als Ganzes ins Ausland verlagert. Bei diesem sog. Betriebsübergang muss der Arbeitgeber seinen bisher in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer mit ins Ausland nehmen.
  2. Es können besondere Umstände vorliegen, unter denen der Arbeitgeber ausnahmsweise doch verpflichtet werden kann, Arbeitnehmer auch im Ausland weiter zu beschäftigen. Besonderes Kriterium ist dabei die Entfernung. Liegen der alte und der neue, freie Arbeitsplatz nicht weit voneinander entfernt, wird das „Auslands-Privileg“ keine Rolle mehr spielen.

In dem konkret zu entscheidenden Fall befand das höchste deutsche Arbeitsgericht, dass ein nordrhein-westfälischer Produktionsbetrieb seiner deutschen Mitarbeiterin keine Weiterbeschäftigung in seiner tschechischen Betriebsstätte anbieten muss (sondern gleich kündigen kann), weil die Entfernung zwischen beiden Arbeitsorten mehrere hundert Kilometer betrug und damit zu groß war.

Dieses „Entfernungs-Argument“ könnte ein Unternehmer aus dem Berchtesgadener Land, der noch Arbeitsmöglichkeiten im benachbarten Salzburger Raum hat, nicht für sich in Anspruch nehmen. Die neue Rechtsprechungstendenz hat also unmittelbar Einfluss auf grenznahe Unternehmer und ihre Beschäftigten in unserer Region.

Hubertus Strüber
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht